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>> Foto: IHK/H. Pentermann Das Jahr 1969 markierte einen Wendepunkt: Mit dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) entstand erstmals ein einheitlicher Rechtsrahmen für die beru iche Bildung. Ziel war es, die Qualität der Ausbildung zu sichern, Standards zu setzen und das Erfolgs- modell der dualen Ausbildung, sprich: die Verbin- dung von Praxis und Theorie, zu stärken. Seither hat sich viel verändert: Ausbildungsordnungen wurden modernisiert, neue Berufe geschaffen, an- dere zusammengelegt oder abgeschafft. Die bun- desweiten Industrie- und Handelskammern (IHKs) übernehmen dabei zentrale Aufgaben, in dem sie das Prüfungswesen organisieren und überwachen. Doch was war eigentlich, bevor das BBiG 1969 in Kraft trat? Auch damals wurde ausgebildet. Aber ein Blick zurück zeigt, wie sehr sich die Ausbil- dungswelt gewandelt hat. Während heute über die Abschaffung der Schreibschrift diskutiert wird, führte eine Auszubildende zur Verkäuferin 1962 ihr Berichtsheft noch handschriftlich: Woche für Woche und in Schönschrift. Auch gab es das so genannte T-Kontenheft: Buchführung von Hand, Spalten gezogen, Zahlen sauber eingetragen. Für die heutige Generation, die ihre Berichtshefte seit 2018 digital führt, ist das kaum noch vorstellbar. Digitalisierung treibt den Wandel Machen wir eine kleine Zeitreise und stellen uns den Einzelhandel vor, wie er vor 60 Jahren war: Wir betreten das Fachgeschäft, sehen Verkäuferin- nen in eleganten Kostümen, sorgfältig frisiert, die Kundinnen mit einem Lächeln begrüßend. Eine Verkäuferin aus Belm, die 1961 ihre Ausbildung begann, hat ihre Berichtshefte bis heute aufbe- wahrt und hat sie uns kürzlich – mit einem Augen- zwinkern – überlassen. Darin beschreibt sie, was eine gute Verkäuferin ausmacht: Hö ichkeit, Ein- fühlungsvermögen und ein gep egtes Auftreten. „Man soll auf seine Haarfrisur achten, damit sie immer sauber und gep egt aussieht“, notierte sie gewissenhaft in ihrem Berichtsheft. Und: „Die Ver- käuferin muss die Kunden einschätzen können – will er Geld anlegen oder möchte er billig und den- noch gut einkaufen?“ Selbst kleine Gesten wie das Öffnen der Tür für eine Mutter mit Kinderwagen gehörten zum guten Ton. „Als Lehrling hat man besonders die P icht, den Kunden gegenüber höf- lich zu sein“, schrieb die junge Verkäuferin. Heute sieht die Welt anders aus. Digitale Techno- logien haben die Arbeitswelt revolutioniert. Neue Kassensysteme, Online-Shops, vernetzte Waren- wirtschaft – all das gehört inzwischen zum Alltag im Einzelhandel. Wer heute eine Ausbildung be- ginnt, muss nicht nur beraten können, sondern auch digitale Prozesse verstehen. Und doch: Der Kern bleibt derselbe. „Trotz aller Veränderungen bleibt die Kundenorientierung entscheidend“, sagt Michael Lüdtke, Ausbilder bei Peek & Cloppenburg. Denn auch im digitalen Zeitalter sei es der persön- liche Kontakt, der den Unterschied macht. Der sta- tionäre Handel punktet auch heute mit Beratung, Service und dem Gefühl, willkommen zu sein – genau wie damals, als die junge Auszubildende Elisabeth aus Belm ihre Ausbildungsnotizen zu Papier brachte. „Tusche wurde abgekratzt“ Auch der Beruf des Bauzeichners zeigt, wie sich der Puls der Welt veränderte. In den 1980er Jahren war er geprägt von Präzision und Handarbeit. Bleistift, Tusche, Lineal und Transparentpapier waren die Werkzeuge, mit denen Baupläne entstanden. „Kor- rekturen? Die machten wir mit Skalpell oder Ra- sierklinge. Tusche wurde abgekratzt, Bleistift aus- Der Wandel der Ausbildungsberufe ist rasant – und fas- zinierend. Er führte vom Zeichenbrett zum digitalen Zwil- ling und vom T-Kontenheft zum Reporting in der Cloud. Die Koordinaten für all dies setzt seit über 50 Jahren das Berufsbildungsgesetz (BBiG). Lesen Sie, wie sich Berufe verändert haben, was geblieben ist und warum der Blick zurück hilft, die Zukunft zu gestalten. von Dr. Maria Deuling, IHK 11 |

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